2020|12|29 Leipziger Volkszeitung

Abstandshaltung: Wie Kunst den Ski-Zirkus ausbremst

Kunst kann alles, sogar Sicherheit schaffen. In Kärnten soll die Installation „for distance“ für Abstand sorgen. Ein Vorbild fürs Erzgebirge? Geht auch billiger.
Eine Glosse von Janina Fleischer

Je tiefer das Nichts, desto lauter die Superlative. Die größte Impfaktion aller Zeiten wird begleitet vom stillsten Jahreswechsel, seit es China-Kracher gibt. Hinzu kommt „die größte Kunstinstallation des Jahres“. Und zwar in Kärnten, Österreich, jenem Land, in dem die Skigebiete derzeit so gut besucht sind, wie es die Umstände erlauben beziehungsweise eigentlich nicht.

Auch darauf macht die Kunstaktion „for distance“ aufmerksam. „Üblicherweise regt Kunst auf, interessiert, differenziert oder wird missverstanden“, fasst der Projektleiter in einer Pressemitteilung zusammen, wofür der Redner einer handelsüblichen Vernissage zwei Rotwein braucht. Dieses „for distance“ hingegen rege zu einem neuen Sozialverhalten an und stelle sich somit in den Dienst der Gesellschaft.

Skulpturen statt Menschen

Dafür werden auf der Ski-Zirkus-tauglichen Simonhöhe 20 000 Quadratmeter Piste in 160 Felder geteilt und die dann von Graffiti-Künstlern besprüht. Jeweils in der Mitte stehen lebensgroße Figuren, so dass sich alles zu einem Skulpturen-Park formt, dessen Botschaft man überall außer im Erzgebirge versteht: Abstand, Leute!

Anschauen kann sich das aus Abstandsgründen derzeit niemand, als Anschauungsmaterial aber wollen die Initiatoren ihre „Covid-Geometrie“ gern verstanden wissen, als Grundlage nämlich „für mögliche Projekte im öffentlichen Raum“: in Stadien, auf Parkplätzen vor Einkaufshäusern, Flughäfen oder Messehallen, wo „sympathisch und selbsterklärend großzügige Abstandshaltung erwirkt werden soll“. Kann man machen. Man kann aber auch Absperrungen als Kunst vermitteln. Ein Aufreger sind sie ja schon.

Von Janina Fleischer